"Poetische Schönheit ist nicht gleich Gefälligkeit." Diesen Satz nehme ich mir von den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt mit. Er stammt vom Literaturwissenschaftler Thomas Strässle und trifft den Zeitgeist.

Als Elfjährige war ich sehr interessiert an den Büchern meiner Mutter. Ein Streifzug durch ihre Bibliothek war jedes Mal eine kleine Entdeckungsreise. Auf einer dieser Reisen fiel mir "Das dreißigste Jahr: Erzählungen" von Ingeborg Bachmann in die Hände. Ich mochte das Cover - ein helles Blau mit Weiß - und unternahm den Versuch, darin zu lesen. Ich konnte die Sätze zwar verstehen, wusste aber nichts mit ihnen anzufangen. Die Bilder ergaben keinen Sinn und ich stellte das Werk enttäuscht zurück.
Heute, viele Jahre später, erlebe ich immer wieder ähnliche Momente des Nicht-Verstehens. Ich erlebe und beobachte sie in meinem beruflichen Umfeld. Und während ich den Juroren und Jurorinnen des Bachmannpreises zuhöre, weiß ich für mich: das Verorten von Inhalten und Eindrücken, die Transformation in sinnhafte, umsetzbare Konzepte und Handlungsschritte, erfordert eine intensive und kritische Auseinandersetzung mit dem, was da zwischen den Zeilen steht. Eingehende Analyse und Paraphrase sind die Grundvoraussetzung für gute Didaktik und wirksames Design, fordern jedoch Ausdauer, Imaginationskraft und Ausdrucksstärke.
Konkret beschäftige ich mich derzeit damit, wie ich den Trend zum Performativen konstruktiv in wirksame, umsetzbare Bildungsformate einfließen lasse ohne mich dabei zu sehr dem institutionellen Diktat der Gefälligkeit zu unterwerfen. Während ich zuhöre, genauer hinhöre und später durch die Landschaft fahre, male ich mir aus, wie eine Region, eine Stadt, ein Ort oder auch eine Organisation aussehen könnte, die den Mut fasst, nicht mit Gefälligkeit sondern mit poetischer Schönheit zu überzeugen.
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